Ein Spiegel der Zeit
William Hogarth (London 1697 – 1764) gilt als einer der Wegbereiter der modern Karikatur. In den meisten seiner Werke geißelt er die Sitten seiner Zeit mit beißender Ironie.
Da er nicht in begüterte Verhältnisse geboren war, sah er sich früh genötigt zum Unterhalt der Familie beizutragen. Nach Beendigung einer Lehre zum Silbergraveur und Kupferschmied verdiente er sein erstes Geld mit der Herstellung von Wappen und Visitenkarten. Doch seine außergewöhnliche Begabung ließ ihn schon bald Malerei studieren.
Es entstanden Porträts englischer Familien, die sogenannten „Konversationsstücke“ (conversation pieces), aber vor allem seine moralisch-satirischen Sittenbilder, die beispielsweise das Leben einer Prostituierten oder den Lebenslauf eines Wüstlings zum Inhalt haben.
Kupferstichversionen seiner Werke überschwemmten ganz Europa. Hogarth enthüllte schonungslos die Miss-Stände seiner Heimatstadt wie den Alkoholismus oder die Tierquälerei und wird so zum bedeutendsten Sozialkritiker seiner Zeit.
Hogarths Bilder sind höchst realistische Darstellungen aus dem Leben der kleinen und mittelgroßen Leute, werfen aber auch einen kritischer Blick auf den Adel und den Klerus.
Man bewunderte die detailgenaue Beschreibung der Londoner Straßen mit ihren typischen Szenen, die so nah an der Wirklichkeit waren. Diese genauen Studien, besonders die der Menschen, machen seine Darstellungen so realistisch und daher packend.
Hogarth machte sich zwar auch als Porträtmaler einen Namen, doch die meisten seiner Gemälde abseits der Satire fanden kaum Anklang.
1757 ernannte ihn König George II. zum Hofmaler.
„Lebenslauf einer Dirne“
Szenen aus dem ausschweifenden Leben finden sich in seiner ersten große Serie „A Harlot’s Progress“ – „Lebenslauf einer Dirne“ von 1730-1732, damals übrigens ein beliebtes Thema, auch in der Literatur.
Mehr als zwölfhundert Abzüge wurden von dieser Bilderfolge bestellt, zahlreiche Nach- und Raubdrucke erschienen, und jeden Tag kamen Neugierige, um sich die gleichzeitig entstandenen Gemälde anzuschauen. Die Serie beschreibt den Lebenslauf einer jungen Frau, die in London zur Prostituierten wird.
Die unverhüllte und so gut beobachtete Koketterie des Mädchens macht den erotischen Reiz des Bildes aus. Die zierliche Person spielt mit ihrem hilflosen Freier Katz und Maus und hat den eindeutig dominierenden Part. Alles flüchtet vor dieser zarten und hübschen Frau. Der Affe, die Diener und nur der kleine Mohr scheint über den Dingen zu stehen. Ihre Körperhaltung ist unglaublich aufreizend und animierend.
Wie hier macht Hogarth sich auch in vielen anderen Bildern besonders über die herrschende Mode lustig: die zeitgenössische Schwärmerei für modische Accessoires aus der ganzen Welt, die sich in chinesischen Vasen, fernöstlichen Nippes, Gemälden, Möbeln und eben Haustieren wie Affen ausdrückt. So wird die Betrachtung seiner Bilder zu einem höchst vergnüglichen, erotisch geprägten Ausflug nach England im 18. Jahrhundert.
„Der Werdegang eines Wüstlings“
Wenig später entstand die Serie „A Rake’s Progress“ – „Der Werdegang eines Wüstlings“ von 1733-35. Hogarth ist nicht der Maler der Andeutung, sondern grob und direkt, wie bei der „Szene in der Schenke“ gut zu sehen ist.
Hogarth verhüllt nichts, sondern deckt auf. Die Ausschweifungen, die vergangenen aber auch die zukünftigen, sind fast greifbar. Die atmosphärische Dichte macht den Reiz der Darstellung aus. Die Gesellschaft präsentiert sich gänzlich enthemmt, trunken und/oder lüstern.
Eine Frau entblößt sich, eine andere greift mit geilem Blick in die Brust des Mannes neben sich. Nur wenige haben die Übel der Großstadt, die Gefahren der Eitelkeit und des Hochmuts, die Verlockungen des leichten Lebens und der Wollust und anderer Laster so bissig festzuhalten gewusst wie dieser Londoner Künstler.
Vorher – Nachher
Höchst vergnüglich empfinde ich die beiden vor und nach der Verführung Szenen, die ziemlich zeitgleich entstanden sind .
Die erste Version erinnert an eine Fête Galante – ein zeitgenössisches französisches Schäferstück. Die zweite wirft einen Blick in ein Schlafzimmer im England des frühen 18. Jhs.
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Auszug aus dieser englisch-sprachigen Ausgabe:
„Portraits, history paintings, theater pictures, and genre pieces are lavishly reproduced alongside detailed entries on each painting, including much previously unpublished material relating to his oeuvre. This deeply informed publication affirms Hogarth’s legacy and testifies to the artist’s enduring reputation.“