Zwielichtige Erotik bei Toulouse-Lautrec

Toulouse-Lautrec - Im Bett

Der Maler der Spelunken und Bordelle

Henri de Toulouse-Lautrec (Albi 1864 – 1901 Gironde) entstammte einem alten Adelsgeschlecht, den Grafen von Toulouse und litt, möglicherweise wegen Inzucht in der Familie, an der Erbkrankheit Pyknodysostose, einer Zwergwüchsigkeit. Schon als Kind zeichnete er gerne und bald war ihm klar, dass er Maler werden wollte.

Er war nur wenig von seinen Lehrern beeinflußt, und entwickelte bald eine eigene, persönliche Technik. Er fand seine Freunde rund um den Montmartre, und so wurde das Quartier um die Place Pigalle beim Moulin Rouge seine neue Heimat. Hier erhielt er auch seine ersten Aufträge und er fertigte Lithographien und Plakate an, die ihn bald berühmt machten. Er fand seine Motive in den Vergnügungslokalen und der Halbwelt. Seine Krankheit, aber auch Alkoholmißbrauch und Depressionen führten zu seinem frühen Tod mit 36 Jahren.

Toulouse-Lautrec im Moulin Rouge

Wenngleich Toulouse-Lautrec zahlreiche Aktbilder geschaffen hat, so finde ich seine angezogenen Frauen weitaus erotischer. Sowohl „Die Sitzende Clownesse“ als auch „Jane Avril tanzend“ sind gute Beispiele dafür.

Toulouse-Lautrec - „Die Sitzende Clownesse“ - „Jane Avril tanzend“
„Die Sitzende Clownesse“ – „Jane Avril tanzend“

Das tanzende Mädchen bewegt sich in so aufreizender Weise, dass sie eine lüsterne, schwülstige Atmosphäre heraufbeschwört. Ebenso animierend ist die sitzende Frau, die mit ihren ordinär gespreizten Beinen die primitivsten Sinne anspricht.

Seine Modelle kamen fast immer aus zwielichtigen Bars und Spelunken, Cabarets und Bordellen. Hier fand er das Leben in seiner intensivsten Form. Kein Gefühl war hier fremd oder wurde unterdrückt. Liebe und Gewalt, Kälte und Wärme, Erotik und Ekel, Enthusiasmus und Apathie reichten einander ständig die Hand.

Toulouse-Lautrec und die Bordelle

In dieser Atmosphäre der Gegensätze fühlte er sich wohl, entsprach sie doch seiner inneren Zerrissenheit zwischen Geselligkeit und größter innerer Einsamkeit.

Toulouse-Lautrec - „Die dicke Marie“
„Die dicke Marie“

„Die dicke Marie“ ist ein sehr erotischer Akt, mit allem, was man von einem Aktbild erwartet. Wir sehen einen üppigen Körper, der sich ganz zwanglos unseren Blicken preisgibt. Die Beine sind leicht geöffnet, sie verschließt sich uns nicht und ist in ihrer Einfachheit von einer fast archaischen sexuellen Ausstrahlung.

Aber ihr Blick ist abgklärt und müde und steht in krassem Gegensatz zu ihrer willigen Körperhaltung. Sie vermittelt Lust, aber sie empfindet sie nicht. Gleich wird ein rotgesichtiger Freier ihren Körper benutzen und sie wird ihn ihm ohne innere Anteilnahme zur Verfügung stellen.

Wegen seiner eigenen Unzulänglichkeit war Toulouse-Lautrec von einer grenzenlosen Toleranz gegenüber den Unvollkommenheiten der Menschen geprägt. Er schätzte und achtete seine Modelle, die zumeist Prostituierte waren, und er behandelte sie mit dem größten Respekt. Er zeigt sie als gleichrangige Leidensgenossen in einer mühseligen Welt.

„Die Toilette“

Das wahrscheinlich erotischste aller seiner Bilder ist „Die Toilette“. Im Gegensatz zu den meisten anderen Frauenbildern zeigt er uns dieses Mädchen von hinten.

Toulouse-Lautrec - „Die Toilette“
„Die Toilette“

Alles was wir wahrnehmen ist ein schöner junger Körper in einer erotischen Pose. Der Unterrock, den sie weit hinauf geschoben hat und die dunklen Strümpfe bilden einen reizvollen Kontrast zu der nackten Haut. Das Mädchen fühlt sich unbeobachtet und wirkt unschuldig verführerisch. Weil wir ihr Gesicht nicht sehen bleibt ihr Schicksal unklar.

Die meisten Frauen bei Toulouse-Lautrec sind nicht verführerisch glänzende Schönheiten sondern spiegeln in ihrem Ausdruck einen tristen und monotonen Alltag wider, der sie melancholisch macht und einsam. Hier bleibt uns das verborgen und wir genießen einen brillianten Rückenakt, geschaffen von einem genialen Künstler, der fraglos zu einem Wegbereiter des Expressionismus wurde und den wir im Werk Schieles immer wieder begegnen.

Titelbild: „Im Bett“

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Henri de Toulouse-Lautrec "La Toilette"
Henri de Toulouse-Lautrec „La Toilette“

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Rokoko-Erotik bei Watteau

Watteau - Diana

Sinnlichkeit – ein frivoles Spiel

Antoine Watteau (Valenciennes 1684 – 1721 Nogent-sur-Marne) ist wahrscheinlich der bedeutendste Maler des französischen Rokoko. Schon im Alter von zehn Jahren begann Watteau seine Studien, die er in Paris fortsetzte. Trotz eines kurzen Lebens, in welchem er, an Tuberkulose leidend, stets kränklich war, hat er ein reiches Werk hinterlassen.

Im Gegensatz zu seinem wohl krankheitsbedingten, melancholischen Wesen verherrlichen seine Bilder Lebenslust und Sinnesfreuden. Ganz dem Geschmack und der Mode der Zeit entsprechend schuf Watteau heitere Schäferstücke, malte die „fêtes galantes“ und ländliche Vergnügungen oder porträtierte die Schauspieler der Theater in phantasievollen Kostümen, die einen wesentlichen Einfluss auf die herrschende Mode ausübten.

Watteau – „Die Toilette“

Das Rokoko widmete sich ausführlich der erotischen Kunst und auch Watteau ist ein Meister der Darstellung aller Spielarten galanter Liebeswerbung, Verführung und frivoler Anspielungen. Ein typisches Beispiel für eine solche erotische Szenerie ist das Bild „Die Toilette“.

Watteau - Die Toilette
„Die Toilette“

Im Gegensatz zu vielen anderen Darstellungen dieses Motivs verzichtet Watteau ganz auf beliebte Accessoires, wie Parfumfläschchen, Döschen oder Schmuckkästchen. Er konzentriert sich ganz auf den weiblichen Akt.

Aus erdigen Tönen strahlt ihr heller Körper, noch betont durch das weiße Hemd, das sie sich gerade um den Kopf zieht. Erst auf den zweiten Blick sieht man eine Dienerin und ein Hündchen, die sich farblich kaum von Bett und Vorhang abheben.

Durch die ovale Form des Bildes werden wir, die Betrachter, in die Position des Voyeurs, der durch ein Schlüsselloch schaut, versetzt. Und wir wurden dabei entdeckt.

Das Mädchen schaut uns direkt an, sie lächelt ganz leicht, hat vor Aufregung gerötete Wangen und genießt es ganz offensichtlich, beobachtet zu werden. Kokett hebt sie ihren linken Arm, um ihre Brust zu zeigen. Sie tut das ausschließlich, um ihre Reize besser zur Geltung zu bringen und nicht weil das Ankleiden diese Bewegung nötig macht. Da nur sie und weder die Dienerin noch der Hund uns bemerken, entsteht eine unglaubliche Intimität zwischen uns und ihr.

Auch hier ist Watteau ganz im Trend seiner Zeit. Immer steht in diesem Jahrhundert jemand hinter dem Vorhang, schaut durchs Schlüsselloch, lauscht an der Tür – auch und vor allem an der eigenen.

Watteaus „Jupiter und Antiope“

Das Bild wurde wahrscheinlich zwischen 1714 und 1719 gemalt. Im zu Grunde liegenden Mythos wird die schöne Tochter des Königs von Theben, Antiope, von Zeus, bzw. in der römischen Mythologie von Jupiter, im Schlaf verführt, wobei Zeus die Gestalt eines Satyrn annimmt.

Watteau Jupiter und Antiope
„Jupiter und Antiope“

Der Satyr steht für die männliche Sexsucht und ist somit ein beliebtes Motiv, um einen erotischen Zusammenhang herzustellen. Die Satyrn sind Gefolgsleute des Bacchus, sind meist hässlich, haben oft Merkmale des Ziegenbocks, wie Hörner am Kopf oder Bocksbeine und zumindest teilweise ein Fell. Sie sind kräftig, muskulös und sonnenverbrannt. Dadurch entsteht ein erregender Kontrast zu den ihnen zur Seite gestellten Frauen, die, wie auch in diesem Fall, meist besonders hellhäutig sind.

Die Farbe der Haut ist hier fast weiß, hat also die Farbe der Unschuld. Diese Unschuld wird durch die Schönheit und Jugend des Mädchens noch unterstrichen. Gegensätzlicher könnten die beiden also nicht sein. Dadurch entsteht eine gewaltige erotische Spannung, die durch die Körperhaltung der Dargestellten noch gesteigert wird.

Sie liegt ahnungslos schlafend in entspannter Pose und über ihr als dunkler, drohender Schatten, wie ein Raubvogel mit gespreizten Flügeln, ein extrem muskulöser Männerkörper, dessen Kopf in einer Linie mit ihrer Scham direkt in ihr Inneres zu blicken scheint, mit lüstern herausgestreckter Zunge.

Die Haltung der beiden Liegenden formt nochmals ein Oval innerhalb des Ovals des Bildes und des Rahmens. Diese äußerst harmonische Bildkomposition bildet nochmals einen Kontrast, in dem Fall zu dem bedrohlichen Moment der dargestellten Szene.

Eine Meisterleistung wie die Lüsternheit und sexuelle Begierde hier fast fühlbar umgesetzt wurde.

Titelbild: „Diana im Bade“

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Auszug aus der Buchbeschreibung:

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