Kernige Erotik bei Corinth

Titelbild: „Liegender weiblicher Akt“ – Detail

Naturalistisch und meist derb

Lovis Corinth (Tapiau 1858 – 1925 Zandvoort) stammte aus Ostpreußen und wurde in München ausgebildet. Erst nach 1900, als er schon Mitte 50 war, avancierte er zu einem der gefragtesten Künstler der Berliner Secession. Zwar hatten einzelne seiner Bilder, wie beispielsweise seine „Salome“, großes Aufsehen erregt, aber generell stand man der Malerei von Corinth skeptisch gegenüber. Zu drastisch erschien sein Realismus, zu provokativ seine Interpretation klassischer Themen und zu heterogen und von Widersprüchen gekennzeichnet seine Kunst.

Bemerkenswert an seinem Schaffen ist, dass es in zwei Phasen geteilt ist. Etliche Kunstexperten sind sich einig, dass Lovis Corinths Kunst nach einem Schlaganfall 1911 einen radikalen Wandel des Stils vollzog. Gleichzeitig schreiben sie diesen Wandel auch Faktoren wie Depression und und Todesangst zu.

Er war ein Einzelgänger, der trotz massiver Widerstände beharrlich seine künstlerischen Ziele verfolgte und an der Figuration festhielt, als abstrakte Tendenzen begannen, das Kunstgeschehen zu bestimmen. Tod, Sex und Nacktheit stehen im Mittelpunkt seiner Bilder, aber auch biblische und mythische Sujets, die er zum Teil ins Groteske zieht.

Corinth und „Innocentia“

Beeinflusst von Rubens, dessen feine Fleischmalerei (s. „Pelzchen“) schon manchen zimperlichen Gemütern zu viel war, geht Corinth noch viel weiter. Dieser unnachahmlich gemalte Körper in Verbindung mit dem weißen Laken, dem Silbergrau des Kissens und des Tuchs führt zu einem Akkord von herrlichstem Wohlklang. In dem Bild spricht sich ein Sinn für Farbenauswahl von feinfühligstem Geschmack aus. Das ist gewissermaßen eine  Extragabe, die uns Corinth schenkt, auch ohne das wäre er schon der große Künstler.

Lovis Corinth "Innocentia"
„Innocentia“

Das erotischste Element bei diesem Bild ist die Brust des Mädchens. Indem sie versucht sie zu bedecken, gibt sie uns dieselbe preis. Sie  akzentuiert sie durch ihre Hände, mehr noch, sie erregt den Betrachter, indem sie eine Brustwarze wie zufällig deutlich offen legt. Das Licht fällt darauf und wird so zum verlockenden Blickfang.

In aller Unschuld wird „Innocentia“ zur sinnlichen Verführerin. Hier legt Corinth viel Augenmerk auf eine naturalistische Darstellung des Gesichts, häufig geht es ihm in seinem Werk mehr um die Charakteristik, als um das Einzelne der Erscheinung. Wenn infolgedessen die Ähnlichkeit des Dargestellten  in dem jeweiligen Bildnis etwas zu kurz kommt, so stört das den Meister nicht.

Corinth –  „Liegender weiblicher Akt“

Eine Steigerung der Qualität von gemaltem Fleisch erlebt man beim „Liegenden weiblichen Akt“. Diese Nacktheit ist in ihrem Naturalismus von verstörender Provokation. Die ungewöhnliche Körperhaltung verstärkt diesen Eindruck. Diese Frau ist frei von jeglicher Zurückhaltung und lässt ihrem augenblicklichen Zustand freien Lauf.

Lovis Corinth - Liegender weiblicher Akt 1907
„Liegender weiblicher Akt“ 1907

Hier wird klar, dass hinter dem Künstler ein Mensch steht, der sich eine Natürlichkeit geschaffen hat, die frei ist von den Lastern der degenerierten Kultur und der sich nicht vor der Enthüllung aller Intimitäten aus dem Privatleben scheut. Durch Totschweigen erscheinen ihm die Dinge und Handlungen, von denen wir ja doch wissen, dass sie täglich und stündlich passieren nicht geändert, vor allem nicht verbessert werden können.

Auch Tod und Verfall nahm Corinth als selbstverständliche, natur- und gottgewollte Tatsachen hin. Er rückte die Protagonisten nicht durch Idealisierung in Distanz, sondern gab ihnen das individuelle Aussehen von modernen Menschen und zeigte sie mit allen ihren natürlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten.

„Bacchanale“

In dem Gemälde „Bacchanale“ erkennen wir, wie in vielen seiner Bilder, eine Welt wilder Farben und sinnlicher und überschäumender Lebensfülle.

Lovis Corinth-Bacchanale
„Bacchanale“

Oft holt Corinth in seinen Werken zu großer Geste aus. Mit raschen Pinselhieben bannt er auf die Leinwand und unterstreicht durch seine spontane Malweise die Dynamik der Bewegung und den Eindruck des Lebendigen und Momentanen. Seine Malerei strahlt in prachtvollen Farben und in Sinnlichkeit und doch schwebt über allem der Gedanke an die Endlichkeit des Lebens.

Er zählt er zu den wichtigsten und einflussreichsten Vertretern des deutschen Impressionismus aber die die ganze weite Welt der impressionistischen Naturauffassung weist keine zweite solch kernig-derbe Geltalt wie Corinth auf.

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Lovis Corinth – Harem
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