Erotik und Skandal
Francisco José de Goya y Lucientes (Fuendetodos 1746 – 1828 Bordeaux) war wie kaum ein anderer Künstler Wegbereiter der Moderne. Der spanische Maler war auch Radierer und Lithograph. Er gilt als einer der bedeutendsten Darsteller der menschlichen Psyche.
Goya malte zunächst in hellen Farben im Stil des spanischen Rokoko. Nach einer schweren Krankheit, die eine völlige Taubheit zur Folge hatte und möglicherweise seine anderen Sinne schärfte, änderte sich nicht nur die Farbgebung in seinem Werk.
In seinen Darstellungen befasste er sich nun mit den menschlichen Abgründen und es entstanden albtraumähnliche Darstellungen von Kriegen, Ungerechtigkeiten und Wahnsinn. Goya empörte die Eiferer der katholischen Inquisition und stieg zugleich zum Stammvater der Expressionisten und der Surrealisten auf.
Goya und der Skandal
Keine Abhandlung über erotische Kunst wäre ohne seine „Die nackte Maja“ denkbar, die ohne jeden Zweifel zu den bedeutendsten Aktbildern der Kunstgeschichte zählt. „Maja“ ist in dem Fall kein Name, sondern bedeutet in der spanischen Sprache ein Synonym für „die Schöne“ oder „schönes Mädchen, schöne Frau“.
Das Ölbild entstand zwischen 1797 und 1800 und stellt eine nackte, auf einem Kissen ruhende Frau dar und hat in Spanien eine unglaubliche Reaktion und einen Skandal heraufbeschworen.
Was hat das Spanien um 1800 so sehr an diesem Gemälde erregt?
Zunächst war es wohl die erstmalige Darstellung von Schambehaarung, die Goyas Zeitgenossen veranlassten, das Bild als „Obszönität“ zu verdammen. Darüber hinaus empörte die Tatsache, dass es sich hier erstmals nicht, wie natürlich bereits bekannt, um die nackte Zurschaustellung einer mythologischen, allegorischen oder biblischen Figur handelt, sondern um eine Spanierin.
Goya malte zum ersten Mal eine echte nackte Frau, eine die es wirklich gab zu seiner Zeit. Und die liegt da als Personifikation aller spanischen Frauen, als die Urspanierin. So schön und so sinnlich sie ist, ohne Zierat, ohne Schmuck, ohne Allegorie. Eben eine der Frauen, die die Männer in den Theatern um den Verstand brachten. Erotisch, selbstbewusst und einladend liegt sie da.
Im Jahr 1815 wurde Goya vor die Spanische Inquisition zitiert, um herauszufinden, wer ihn beauftragt hatte das unzüchtige Bild zu malen. Es ist keine Aufzeichnung von Goyas Aussage überliefert. Folge des Prozesses war allerdings, dass ihm der Titel des königlichen Hofmalers aberkannt wurde.
Goya und die zweite Version
Skandalös nannte der spanische Klerus das Portrait dieser Frau, in dem sich Goya auch als ein Maler der Schönheit zeigt. Er hat übrigens eine zweite Version des Bildes, „La maja vestida – Die bekleidete Maja“, gemalt, auf dem das Modell in der gleichen Pose, aber bekleidet dargestellt ist.
Beide Bilder tauchen urkundlich das erste Mal im Besitz des spanischen Premierministers Manuel de Godoy auf, was Vermutungen auslöste, die Maja stelle eine seiner Geliebten dar. Eine weitere Theorie war, dass das Bild eine Darstellung der 13. Herzogin von Alba ist, die mehrfach von Goya gemalt wurde und eventuell auch ein Verhältnis mit dem Maler hatte. Möglich ist auch, dass es sich um eine Vermengung verschiedener Modelle handelt und keine Einzelperson dargestellt ist.
Der Minister jedenfalls hing die gesellschaftsfähigere Fassung kurzerhand vor das skandalöse Werk. Ein Zugmechanismus in Form von Scharnieren legte die offene Sinnlichkeit frei, für besondere Gäste und zu seinem eigenen Vergnügen.
Die körperliche Schönheit der Maja beruht auf immer wiederkehrenden Eigenschaften, die sich unter den Oberbegriffen „Kindfrau“ und „Lichtgestalt“ subsumieren lassen. Sie ist von graziler Zerbrechlichkeit, klein und zart, mit schmalen Füssen und schlanken Fingern. Die Farben ihres Fleisches leuchten weiß und rosé, in kindlicher Frische. Sie mag an eine Wachspuppe erinnern, doch dazu kontrastiert ihr sinnlicher Körper, der sexuelles Begehren erweckt.
Noch 1930, als Spanien vier Briefmarken mit den bekanntesten Gemälden Goyas herausgab, darunter die Maja, protestieren spanische Katholiken und auch andere Staaten (erfolglos) dagegen.
Titelbild: „Marquesa de Santa Cruz“ – Detail
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Auszug aus der Buchbeschreibung:
„Werner Hofmanns Band, der sich als Klassiker etabliert hat, bringt Goyas malerisches und graphisches Werk in brillanten Abbildungen zur Geltung und erklärt, wie Goya zum großem Erneuerer der Kunst um 1800 wurde.“
Gerahmter Kunstdruck – Goya, Der Torero Pedro Romero