Maler und Grafiker der Renaissance
Albrecht Dürer (1471 – 1528, Nürnberg) war der Sohn eines in Nürnberg hoch angesehenen Goldschmiedes. Bereits als Kind erlernte er das Goldschmiedehandwerk und somit auch das Gravieren in Metall, die Grundlage des Kupferstichs. Die Druckgraphik machte Dürer auch überregional und schon als jungen Mann bekannt. Sie wurde auf den Handelswegen in kurzer Zeit weit verbreitet und übte unmittelbaren künstlerischen Einfluss nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, vor allem in Italien, aus.
Und schließlich bildete die Druckgraphik mehr als die Malerei die materielle Grundlage Dürers. Ohne sie wäre sein Auftreten als neuzeitlicher, aus der eigenen Erfindung schöpfender und wissenschaftlich arbeitender Künstler kaum vorstellbar. Seit 1512 stand er in Diensten des deutschen Kaisers Maximilian I., für den er vor allem Zeichnungen und riesige Holzschnittprojekte ausführte.
Dürer und badende Frauen
Wie Cranach so beschäftigte sich auch Dürer mit dem Thema der badenden Frauen. Anders als Cranach setzt Dürer sich hauptsächlich mit der perfekten anatomischen Darstellung des weiblichen Körpers auseinander. Ihm gelingt es durch die geniale Körperhaltung der Akte einen einmaligen erotischen Reiz auszulösen.
Die Frauen waschen oder kämmen sich unbekümmert, als fühlten sie sich unbeobachtet. Das gestattet ihnen laszive Verrenkungen ihrer nackten Körper. Doch der Schein trügt. Das Mädchen in der Bildmitte vorne schaut uns direkt an und macht uns, die Betrachter, zu lüsternen Voyeuren. Sie hat etwas Provozierendes in ihrem Blick und ebenso provozierend streckt sie uns ihre wohlgeformten Brüste entgegen. Gleiches gilt auch für diesen Akt:
Dürer und das Hexenthema
Vom Ende des 15. bis weit ins 18. Jahrhundert war die Hexenverfolgung in Europa legal, die Hexerei ein offizielles Strafdelikt.
Im Hexenhammer (1486/87) erstellten zwei Dominikanermönche (Heinrich Institoris, Jakob Sprenger) eine zusammenfassende Beschreibung des Hexenwesens und eine einheitliche Prozessordnung für die Inquistionsgerichte.
Das Frauenbild im Hexenhammer: sie sind maßlos sowohl im Guten als auch im Bösen, boshaft, habsüchtig, hinterlistig, tückisch, die Königreiche zerstörend, von schwachem Verstand, unfähig zur Philosophie, fleischlich gesinnt, lüstern, schwankend im Glauben, leicht zweifelnd und schlecht von Natur aus.
Das Christentum beruft sich dabei vor allem auf einzelne Bibelstellen bei Paulus, der die völlige Enthaltsamkeit verlangte und meinte, nur wenn es nicht anders gehe, sei es besser zu heiraten als zu brennen.
Vor allem Kirchenvater Augustinus leistete mit seiner Erbsünden-Lehre, nach der das Böse durch die erotischen Reize von Eva in die Welt kam, der Körperfeindlichkeit Vorschub. Der sexuellen Lust haftete von da an etwas Schlechtes, Schmutziges und Sündhaftes an.
Symbol der klerikalen Leibfeindlichkeit war die Frau. Sie wurde dämonisiert. Ihr galt der Hass der Kirche. Als Hexe wurden ihr sexuelle Handlungen mit dem Teufel und sexuelle Orgien unterstellt und zehntausende Frauen endeten auf dem Scheiterhaufen.
Als nun die Renaissance in dieser Zeit den Körper als Kunstwerk entdeckt, bleiben den bildenden Künstlern die Hände gebunden, die Frau erotisch zu verklären. Einen Ausweg fanden sie in der griechischen Mythologie – Venus, die Göttin der Liebe, wird zum Inbegriff der Schönheit und im Alten Testament. Ebenfalls ein weites Feld, um Schönheit, Sinnlichkeit und Erotik zu feiern. Ein anderer Weg war die Darstellung der Hexe, als Sinnbild der Sündhaftigkeit und damit der Erotik.
Viele Künstler nahmen sich dieses Stoffes an, der mit der Ausgestaltung von Hexensabbat, Hexenflug und Dämonen der Einbildungskraft reichlich Nahrung bot. Den Darstellungen selbst ist oft nicht zu entnehmen, ob sie dem Hexenglauben folgen oder ihn kritisieren.
Die Hexen bei Dürer
Es mag weitgehend nicht so bekannt sein, dass auch Dürer sich dieses Themas bediente und einige Hexenbilder schuf, von denen das Untere wohl das Erotischste ist.
Sicherlich war es die viel zitierte Lüsternheit der Hexe, die die Phantasie der Künstler zu erotischen Schilderungen anregte. In Dürers Fall glaube ich eher, dass die schutzlosen Hexen, die ohnehin der Obrigkeit vollkommen ausgeliefert waren, ihm keinerlei Zwänge in der Darstellung auferlegte. Er konnte die penible Detailgenauigkeit in der anatomischen Abbildung ihrer Körper ohne Hemmungen zu absoluter Perfektion verfeinern.
Die vier Frauen stehen im Kreis, wenden sich ab, sind in sich und ineinander versunken. Die Struktur des Knochenbaus, die Beschaffenheit der Haut und die muskulöse Körperlichkeit sind von solch einmaliger Qualität, dass man zu wissen meint, wie die Frauen sich bei Berührung anfühlen. Dadurch entsteht eine große Intimität zwischen dem Bild und dem Betrachter und stellt für mich eines der größten Meisterwerke in der Sparte der Aktbilder dar.
Dürer gilt mit guten Gründen als einer der herausragenden Künstler der deutschen Renaissance. Sein Werk zielt darauf ab, die spätmittelalterlichen Traditionen seiner Heimat mit den italienischen, von wissenschaftlicher Erkenntnis geprägten Einflüssen zu einer Synthese zu bringen. Er wollte die gesellschaftliche und geistige Rolle des Künstlers unter dem Einfluss humanistischen Denkens neu bestimmen. Seine Kunstwerke haben im Lauf der Jahrhunderte immer wieder neue Aktualität erlangt und bis in die Moderne hinein Auswirkungen auf die Kunst gehabt.
Ein Zeitgenosse und wahrscheinlich sein begabtester Schüler hat sich übrigens ebenfalls des Hexenthemas angenommen: s. Hans Baldung.
Titelbild: „Adam und Eva“ – Detail
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