Kernige Erotik bei Corinth

Corinth-Liegender weiblicher Akt - Detail

Titelbild: „Liegender weiblicher Akt“ – Detail

Naturalistisch und meist derb

Lovis Corinth (Tapiau 1858 – 1925 Zandvoort) stammte aus Ostpreußen und wurde in München ausgebildet. Erst nach 1900, als er schon Mitte 50 war, avancierte er zu einem der gefragtesten Künstler der Berliner Secession. Zwar hatten einzelne seiner Bilder, wie beispielsweise seine „Salome“, großes Aufsehen erregt, aber generell stand man der Malerei von Corinth skeptisch gegenüber. Zu drastisch erschien sein Realismus, zu provokativ seine Interpretation klassischer Themen und zu heterogen und von Widersprüchen gekennzeichnet seine Kunst.

Bemerkenswert an seinem Schaffen ist, dass es in zwei Phasen geteilt ist. Etliche Kunstexperten sind sich einig, dass Lovis Corinths Kunst nach einem Schlaganfall 1911 einen radikalen Wandel des Stils vollzog. Gleichzeitig schreiben sie diesen Wandel auch Faktoren wie Depression und und Todesangst zu.

Er war ein Einzelgänger, der trotz massiver Widerstände beharrlich seine künstlerischen Ziele verfolgte und an der Figuration festhielt, als abstrakte Tendenzen begannen, das Kunstgeschehen zu bestimmen. Tod, Sex und Nacktheit stehen im Mittelpunkt seiner Bilder, aber auch biblische und mythische Sujets, die er zum Teil ins Groteske zieht.

Corinth und „Innocentia“

Beeinflusst von Rubens, dessen feine Fleischmalerei (s. „Pelzchen“) schon manchen zimperlichen Gemütern zu viel war, geht Corinth noch viel weiter. Dieser unnachahmlich gemalte Körper in Verbindung mit dem weißen Laken, dem Silbergrau des Kissens und des Tuchs führt zu einem Akkord von herrlichstem Wohlklang. In dem Bild spricht sich ein Sinn für Farbenauswahl von feinfühligstem Geschmack aus. Das ist gewissermaßen eine  Extragabe, die uns Corinth schenkt, auch ohne das wäre er schon der große Künstler.

Lovis Corinth "Innocentia"
„Innocentia“

Das erotischste Element bei diesem Bild ist die Brust des Mädchens. Indem sie versucht sie zu bedecken, gibt sie uns dieselbe preis. Sie  akzentuiert sie durch ihre Hände, mehr noch, sie erregt den Betrachter, indem sie eine Brustwarze wie zufällig deutlich offen legt. Das Licht fällt darauf und wird so zum verlockenden Blickfang.

In aller Unschuld wird „Innocentia“ zur sinnlichen Verführerin. Hier legt Corinth viel Augenmerk auf eine naturalistische Darstellung des Gesichts, häufig geht es ihm in seinem Werk mehr um die Charakteristik, als um das Einzelne der Erscheinung. Wenn infolgedessen die Ähnlichkeit des Dargestellten  in dem jeweiligen Bildnis etwas zu kurz kommt, so stört das den Meister nicht.

Corinth –  „Liegender weiblicher Akt“

Eine Steigerung der Qualität von gemaltem Fleisch erlebt man beim „Liegenden weiblichen Akt“. Diese Nacktheit ist in ihrem Naturalismus von verstörender Provokation. Die ungewöhnliche Körperhaltung verstärkt diesen Eindruck. Diese Frau ist frei von jeglicher Zurückhaltung und lässt ihrem augenblicklichen Zustand freien Lauf.

Lovis Corinth - Liegender weiblicher Akt 1907
„Liegender weiblicher Akt“ 1907

Hier wird klar, dass hinter dem Künstler ein Mensch steht, der sich eine Natürlichkeit geschaffen hat, die frei ist von den Lastern der degenerierten Kultur und der sich nicht vor der Enthüllung aller Intimitäten aus dem Privatleben scheut. Durch Totschweigen erscheinen ihm die Dinge und Handlungen, von denen wir ja doch wissen, dass sie täglich und stündlich passieren nicht geändert, vor allem nicht verbessert werden können.

Auch Tod und Verfall nahm Corinth als selbstverständliche, natur- und gottgewollte Tatsachen hin. Er rückte die Protagonisten nicht durch Idealisierung in Distanz, sondern gab ihnen das individuelle Aussehen von modernen Menschen und zeigte sie mit allen ihren natürlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten.

„Bacchanale“

In dem Gemälde „Bacchanale“ erkennen wir, wie in vielen seiner Bilder, eine Welt wilder Farben und sinnlicher und überschäumender Lebensfülle.

Lovis Corinth-Bacchanale
„Bacchanale“

Oft holt Corinth in seinen Werken zu großer Geste aus. Mit raschen Pinselhieben bannt er auf die Leinwand und unterstreicht durch seine spontane Malweise die Dynamik der Bewegung und den Eindruck des Lebendigen und Momentanen. Seine Malerei strahlt in prachtvollen Farben und in Sinnlichkeit und doch schwebt über allem der Gedanke an die Endlichkeit des Lebens.

Er zählt er zu den wichtigsten und einflussreichsten Vertretern des deutschen Impressionismus aber die die ganze weite Welt der impressionistischen Naturauffassung weist keine zweite solch kernig-derbe Geltalt wie Corinth auf.

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Lovis Corinth – Harem
Lovis Corinth – Harem

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Der poetische Corot

Corot-Jeune femme étendue sur l’herbe

Die Erotik des Impressionismus

Jean Baptiste Camille Corot (1796 – 1875 Paris) wurde in Paris geboren und entstammte gutbürgerlichen Verhältnissen. Nach einer Lehre zum Tuchhändler, einem Studium bei Jean-Victor Bertin und einem dreijährigen Aufenthalt in der Campagna Romana bezog er ein Atelier in Paris, wo er sich intensiv der Malerei widmete. Es folgten Fußreisen durch Frankreich, die Niederlande und die Schweiz.

In seinen späten Jahren war er als ‚Père Corot‘ die Vaterfigur der Pariser Kunstszene und galt wie Meindert Hobbema, William Turner und John Constable als einer der führenden Landschaftsmaler. Daneben schuf er aber auch Frauenbildnisse. Diese sollen im Zentrum dieses Artikels stehen.

Corot – Stimmungsbild mit entblößter Brust

Eines seiner frühen Frauenbildnisse entstand um die Mitte der 1830er Jahre und zeigt eine junge Frau mit entblößter Brust.

Corot - Sitzende Frau mit entblößter Brust
„Sitzende Frau mit entblößter Brust“

Das Gemälde ist ein für Corot ganz typisches Stimmungsbild. Es trägt mit seiner eigenwilligen Darstellung des Lichts wesentlich zu einer impressionistischen Auffassung in der Malerei bei, obwohl sich Corot selbst zur klassisch-akademischen Tradition hingezogen fühlte.

Den Impressionismus vorwegnehmend verzichtet er auf Detailtreue und schafft einen flüchtigen Augenblick.

Eine in sich versunkene Frau zeigt ihre Brust – wie unbeabsichtigt – was eine Atmosphäre von Intimität erzeugt. Gleichzeitig tritt die Brust durch die Farbgebung des hellen bis teils weißen Stoffes aus dem Bild hervor und drängt sich in das Blickfeld des Betrachters, was ihn zum Voyeur macht und so erotische Spannung erzeugt.

Corot – Marietta

Etwa zehn Jahre später entstand  das Bild „Marietta“ („Die römische Odaliske“). Anders als die „Sitzende Frau mit entblößter Brust“, wendet sich die Frau hier nicht ab. Im Gegenteil. Sie schaut den Betrachter direkt an.

Corot - Marietta
„Die römische Odaliske“

Ist man bei dem ersten Bild vom nackten Oberkörper angezogen, so ist es man es hier bei dem auffordernden, einladenden Ausdruck im Gesicht der jungen Frau. Man ist versucht näher zu treten und den Körper zu drehen, um ihn ganz zu sehen. Auch bei diesem Gemälde sind es die hellen Farben des Lakens, die ihn hervorheben.

Corots Gemälde zeichnen sich, wie hier, durch einen starken poetischen Reiz aus. Er ließ weibliche Modelle in seinem Atelier posieren und überhöhte sie in ihrer Gestalt mit einer flüssig-zarten, matt schimmernden Farbgebung.

Corot - "Junges Mädchen bei der Toilette"
„Junges Mädchen bei der Toilette“

Erotik im Impressionismus

Im Impressionismus wurden viele Grundsätze der Malkunst nicht mehr beachtet und sie befassten sich nicht mit Motiven, welche politische oder soziale Aussagen hatten. Sie legten nun ihren Schwerpunkt auf die malerische Behandlung eines Gegenstandes und nicht mehr auf den Gegenstand selbst.

Um 1855 entstand das Gemälde „Mädchen im Grünen“. Den Impressionisten war vor allem die äußere Erscheinung der alltäglichen Umgebung wichtig. Die Künstler malten hauptsächlich in der freien Natur, um das Sonnenlicht genau beobachten zu können und auf den Bildern wiederzugeben.

Corot-Mädchen im Grünen
„Mädchen im Grünen“

Hier verschmilzt der nackte Körper einer jungen Frau mit der sie umgebenden Landschaft und hebt sich gleichermaßen von ihr ab. Das sanfte Ineinandergleiten der verwandten Farben schafft ein erotisch-poetisches Idyll in einer wunderbaren Komposition. Die Natur rahmt einen einladenden, wohlgeformten Körper.

Schönster Beweis für die ausgeprägte Leidenschaft des Landschaftsmalers auch für die menschliche Figur. Hier fand er zu einer ganz eigenen, persönlichen Bildsprache, deren Innerlichkeit aus dem Gefüge kommt und der Stimmung des gesamten Bildes spricht.

Titelbild: „Jeune femme étendue sur l’herbe“
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Art - Über 2500 Kunstwerke
Art – Über 2500 Kunstwerke

Auszug aus der Buchbeschreibung:

Die Weltgeschichte der Kunst
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Der über-erotische Correggio

Correggio - Maria Magdalena

Ruhe und Heiterkeit in der Erotik

Antonio Allegri, Antonio da Correggio, kurz Correggio
(1489 – 1534 Correggio)

Die Zeit des Correggio war die der großen Leonardo da Vinci, Raffael, Michelangelo, Tizian, die sich in allgemeiner Bewunderung sonnten und glänzten. So blieb das reiche Talent Correggios ohne jede äußere angesehene Stellung dem Interesse der Öffentlichkeit eher abgewandt.

Diese Zurückgezogenheit aber scheint zur Begründung und Ausbildung seines künstlerischen Charakters, zu jener stillen Heiterkeit und kindlichen Freude am Schönen, zu einer hinreißenden Innigkeit seiner Bilder geführt haben. Ohne die Störungen durch äußere glänzende Verhältnisse war er ganz seiner Kunst verhaftet und so gelang ihm die kraftvolle Entwicklung seiner unglaublichen Begabung.

Die Erotik bei Correggio

Wenn hier von Erotik die Rede sein soll, so fällt es bei Correggio sehr schwer, passende Beispiele auszuwählen, da eigentlich alle seine Werke von Erotik geradezu durchdrungen sind. Alle seine Bilder zeichnet eine Gefühlswelt aus, wie sie ziemlich einzigartig ist. Lebendigkeit der Empfindung, eine fast schwelgerische Schwärmerei durchdringt die Dargestellten und verleiht ihnen eine bestechende erotische Ausstrahlung.

Correggio-Leda mit dem Schwan
„Leda mit dem Schwan“

Es ist ein heitere Welt, die wir hier erleben, die uns gestattet uns ganz der Sinnlichkeit hinzugeben. Die Wollust ist hier erlaubt und eins mit dem Himmel, nichts Böses wird ihr unterstellt, der Eros in seiner reinsten Form. Die Lust ist Glückseligkeit und erlaubter Genuss und Teil der Lebensfreude.

Die Begierde wird zu einer so selbstverständlichen Empfindung, dass sie fast naiv und kindlich wird, Correggio nimmt das Paradies auf Erden vorweg. Der von Leidenschaft durchpulste Körper enthält eine von himmlischer Liebe durchdrungene Seele, die jegliche Lüsternheit zu rechtfertigen scheint. So ist seine Erotik eine süße, ja liebliche Empfindung voll heiterer Gelassenheit.

Correggio "Danae"
„Danae“

Der erotische Reiz wird gesteigert durch die Schönheit der Dargestellten, sie scheinen makellos und zeigen sich in graziösen, gefälligen Stellungen. Sie haben wunderbare, idealisierte Körper, die mit ihren wunderbaren Proportionen unsere Begehrlichkeit wecken.

Über seinen Bilder liegt eine große Ruhe, die durch seine genialen Licht-Schattenmalerei entsteht, unterstrichen durch die Harmonie der Farben, die in perfekten Abstimmungen ineinander gleiten und in leuchtender Kraft die Stofflichkeit der dargestellten Materie fühlbar machen.

Correggio – Eva mit dem Apfel

In seiner Zeichnung vermisst man den Adel und die Schönheit eines großen Stils, es scheint als vermeide er die geraden Linien und es entsteht ein Durcheinanderwogen von konvexen und konkaven Linien.

Correggio-Eva mit Apfel
„Eva mit Apfel“

Sein stetiges Bestreben, seinen Formen eine reizende, überraschende Ansicht abzugewinnen, trieb ihn gelegentlich zu Verkürzungen, die in der Regel entstellen, bei ihm aber den beabsichtigten Ausdruck verstärken, denn es ist nicht zu verkennen, dass er dadurch die wunderbarsten Wirkungen erzielt – s. die Zeichnung „Eva mit dem Apfel“.

Auch hier, wie schon oben besprochen, wird das Sujet von Correggio ganz anders interpretiert. Bei ihm ist die gefährliche Verführung befreit von der Last des Verbotenen, sie ist eine sinnliche Einladung, eine stille Erwartung kommenden Glücks.

Niemals vorher und niemals nachher wurde die eigentliche Bedeutung des Eva-Apfel-Mythos so klar ausgesprochen. Kindlich-lasziv bietet Eva sich selbst an, der Apfel ist nur das Lockmittel, sie quasi sein verlängerter Arm.

Titelbild: „Maria Magdalena“

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Sein Zeitgenosse Parmigianino

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Art - Über 2500 Kunstwerke
Art – Über 2500 Kunstwerke

Auszug aus der Buchbeschreibung:

Die Weltgeschichte der Kunst
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Der Realismus bei Courbet

Courbet - Frau mit Papagei

Aufsehenerregend und schockierend

Gemeinsam mit anderen Künstlern und Intellektuellen wie Charles Baudelaire oder Pierre-Joseph Proudhon war Gustave Courbet  (1819 Ornans bei Besançon – 1877 La-Tour-de-Peilz/Schweiz) maßgeblich an der Entwicklung des Realismus beteiligt und avancierte letztlich zu dem französischen Hauptvertreter dieser Stilrichtung. Genau dieser Realismus macht seine Bilder so aufsehenerregend und schockierend provokant.

Courbet-Femme nue au chien
„Femme nue au chien“

Courbet und der Ursprung der Welt

Es gibt kein anderes Bild, das ein besseres Beispiel für diesen Realismus darstellen könnte als „Der Ursprung der Welt“ (Öl auf Leinwand). Es entstand 1866 als Auftragsarbeit für den ägyptischen Diplomaten und Kunstsammler Khalil Bey und hängt heute im Musée d’Orsay in Paris.

Courbet - „Der Ursprung der Welt“
„Der Ursprung der Welt“

Es wurde viel über dieses Bild gesagt und geschrieben, ich würde gerne davon Abstand nehmen. Dass der Schoß der Frau für den Beginn des Lebens und der Geburt des Menschen steht, muss nicht erwähnt werden, damit ist der Titel des Bildes hinlänglich erklärt.

Dass die Vulva der Frau, viel mehr als der Penis des Mannes, den Inbegriff der Sexualität darstellt muss hier auch nicht besprochen werden.

Mir geht es, wie bei allen anderen Bilder dieses Blogs, nur um die erotische Wirkung, die das Gemälde auslöst – und die ist ganz fraglos enorm. Hier wird nicht angedeutet, sondern ausgesprochen, direkt und daher provozierend ohne provokant sein zu wollen.

Gemälde oder Fotografie?

Es handelt sich hier ganz einfach um die naturalistische Darstellung des weiblichen Geschlechts, das sich uns ästhetisch schön präsentiert. Die Schamlippen sind ganz leicht geöffnet ohne zuviel preiszugeben, die Haare kräuseln sich in perfekter Dreiecksform, darüber wölbt sich ganz zart der Bauch mit dem Nabel und zieht unser Auge weiter hinauf zur Brust, die nur zu einem kleinen Teil entblößt ist.

Doch unser Blick wandert gleich wieder hinunter, zu faszienierend ist der intimste Bereich der Frau, der sich selten so bloß und ohne Scham der Öffentlichkeit zeigt. Und das ist, glaube ich, der Punkt: die Vulva wird gezeigt, ohne jegliche Aufdringlichkeit. Die Schenkel der Frau sind leicht gespreizt, aber sie bietet ihr Geschlecht nicht an, wir dürfen nur zufällig hinschauen. Nichts ist ördinär oder lasziv an diesem Bild.

Wir denken wieder an den Titel, den Courbet diesem Gemälde gegeben hat und sind doch in höchstem Maße erotisch stimuliert. Das liegt aber nicht nur am Sujet, das auch unerotisch dargestellt werden könnte. Es liegt an der unglaublichen, fast fotografischen Genauigkeit, mit der jedes Detail wiedergegeben ist, ganz besonders ist es die genial wirklichkeitsnahe Qualität der Haut. Eine Meisterleistung der erotischen Kunst.

Titelbild: „Frau mit Papagei“

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Cranach, perfekt gemalte Erotik

Cranach-Adam und Eva - Detail

Lust an der Sinnlichkeit

Lucas Cranach (1475 Kronach – 1553 Weimar) war kein brotloser Künstler. Er war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Reformationszeit, begütert und einflussreich. 1513 besaß er Grundstücke und Häuser in Wittenberg, erbaute sich in der Schlossstraße 1 (heute ein Cranach-Museum) das damals größte Wittenberger Privathaus und besaß einen Buchladen und eine Apotheke. Er hielt das Monopol über Zucker, Wachs und Gewürze und er handelte mit Wein, Sandstein, Papier und Farben.

Um die vielen Aufträge aus ganz Europa zu bewältigen gründete er eine Buchdruckerei und eine Malwerkstatt. Seit 1505 war er Hofmaler des sächsischen Kurfürsten. Seine “Malerakademie”, eine der produktivsten in Europa, soll in 84 heizbaren Zimmern und 16 Küchen untergebracht gewesen sein, unvergleichlich in der damaligen Zeit. Seine Geschäftstüchtigkeit machte ihn zu einem der reichsten Männer Wittenbergs. Dreißig Jahre lang wirkte das Multitalent zudem als Ratsherr und wurde drei Mal zum Bürgermeister von Wittenberg gewählt.

Von seiner Frau Barbara, einer Tochter des Gothaer Bürgermeister Jobst Brengebier, weiß man wenig. Sie soll eine stolze und schöne Frau gewesen sein, liebte den Reichtum ihres Mannes und Pelze.

Man erzählt sich in Wittenberg, dass sich Barbara bitter beklagte, weil sie in den vielen Gemälden ihres Mannes nie auftauchte. Irgendwann muss er wohl entnervt nachgegeben haben, denn im berühmten Cranach-Altar in der Wittenberger St. Marienkirche soll Barbara zu sehen sein, von hinten und in dickem Pelz!

Spötter behaupten, Cranach konnte sie deshalb nicht von vorn zeigen, da sie ihm als Modell für seine “nackerten Weiber” gedient habe und so jeder ihr Gesicht kannte.

Er war populärer und wirtschaftlich noch erfolgreicher als sein berühmter Zeitgenosse Albrecht Dürer.

Der Akt bei Cranach

Aktfiguren tauchen in Deutschland schon im 13. Jahrhundert auf. Und mit Beginn der Renaissance – in Italien ab etwa 1400 – erwacht endgültig das Interesse von Bildhauern und Malern an der menschlichen Anatomie.

Mit der immer perfekteren Darstellung schöner Körper kamen auch erotische Untertöne in die Kunst und damit auch die Lust an der Sinnlichkeit. Zunächst fand das männliche Aktbild immer öfter Eingang in die Malerei, weibliche Akte kamen verstärkter erst im frühen 16. Jahrhundert stärker auf.

Eine der Spezialitäten des Lukas Cranach waren perfekt gemalte erotische Darstellungen. Als einer der Ersten malte er nackte Körper und schuf ein zeitloses Ideal weiblicher Schönheit als zierlich eleganten Typus der Kindfrau. Seine Raffinesse besteht darin, mit den Lüsten von Künstler und Auftraggeber zu spielen.

Cranach-der-Ä.-Venus und Amor
“Venus mit Amor“

Er malt nicht zur privaten Befriedigung sondern erfreut sich an der öffentlichen Begutachtung seiner Anzüglichkeiten. Einer seiner “Venus mit Amor“ – Darstellungen zeigt die Liebesgöttin zwar nackt, aber mit „verhüllendem“ Schleier. Er ist durchsichtig und verhüllt nichts. Er reizt. Und erhöht die Lust am Nackten, weil er es als Enthülltes zeigt.

Cranach und „Der Jungbrunnen“

Es handelt sich dabei um ein bekanntes und altes Märchenmotiv und einen Wunschort, an dem Tod und Vergänglichkiet überwunden werden. Das irdische Paradies mit seinem das ewige Leben verheißendem Quell, wurde fern im Osten vermutet. Auch Christoph Columbus wollte es noch finden.

Das Thema hatte um 1500 eine erneute Aktualität gewonnen. Es erzählt über die menschliche Sehnsucht nach ewiger Jugend und Unsterblichkeit, vom Traum, die verbrauchte leibliche Hülle verlassen zu können, um verjüngt, frisch und voller Tatendrang wieder neu zu erstehen.

Die Vorstellung von der reinigenden Kraft der Elemente, Feuer und Wasser, ist so alt wie die Menschheit selbst.  Die Legende von Alexander dem Großen und dem Jungbrunnen ist bereits seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. im Umlauf.

Cranach - Jungbrunnen
„Der Jungbrunnen“

“Der Jungbrunnen“ von 1546 ist wohl Cranachs berühmtestes Bild. Das Zentrum des Geschehens bildet ein mit Wasser gefülltes Becken, der so genannte Jungbrunnen, in dem sich Badende vergnügen. Er liegt inmitten einer detailliert und phantasievoll gestalteten Landschaft fernab von menschlichen Ansiedlungen.

Von links werden auf steinigen Wegen alte, gebrechliche Frauen auf Wagen und Karren herbeigefahren, getragen oder streben selbst voller Hoffnung dem Becken zu. Andere werden entkleidet und vom Arzt untersucht. Einige zögern oder bedürfen der Überredung.

Im Wasser des Jungbrunnens verjüngen sie sich zusehends, um dann am rechten Beckenrand frisch und in jugendlicher Gestalt wieder zu erscheinen.

Auf dem Brunnen im Wasserbecken sind die Figuren der Liebesgötter Venus und Amor zu sehen, Symbol für den Jungbrunnen als Liebesbrunnen und dafür, dass die wunderwirkende Kraft der Liebe der eigentliche Quell immerwährender Jugend ist. (Es scheint, dass nur Frauen des Bades zu bedürfen, während sich die Männer allein im Umgang mit diesen von selbst verjüngen).

Im Gegensatz zu den künstlerischen Darstellungen der Vorzeit wollte der Mensch der Renaissance die erhoffte Seligkeit und Makellosigkeit nicht erst im Jenseits, sondern schon im Diesseits erreichen. Renaissance heißt nicht nur Wiedergeburt der Antike, sondern auch und vor allem Wiedergeburt im Diesseits, Säkularisierung des Paradieses. Ewige Schönheit, Gesundheit und Jugend wollen wir hier schon erleben und nicht erst in einer fernen und ungewissen Zukunft nach dem Tod.

Die Erotik liegt für mich hier vor allem in der unbekümmerten Zurschaustellung der Nacktheit und an der offensichtlichen Freude am eigenen Körper. Spielerisch berühren die Frauen einander und geben uns Raum für weiterführende Gedanken. Körperlich und geistig entspannt und in sich ruhend tanzen sie im Wasser, mit offenen Sinnen, quasi in Erwartung sinnlicher Genüsse und Reize. Die warmen und harmonischen Farben unterstreichen die angenehme Atmosphäre der Darstellung.

Titelbild: „Adam und Eva“ – Detail

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Lucas Cranach, Meister - Marke - Moderne
Lucas Cranach, Meister – Marke – Moderne

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Romantische Erotik bei Delacroix

Delacroix - Odaliske

Der Romantiker Delacroix

Eugène Delacroix (1798-1863 Paris) war der Sohn eines Mitglieds der Revolutionsregierung und Außenministers sowie Botschafters. Tatsächlich aber gibt es Hinweise, dass er in Wirklichkeit der Sohn Talleyrands war.

Er begann 1815 ein Studium im Atelier von Guérin und schrieb sich ein Jahr später an der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris ein.

Er fühlte sich zu den Romantikern hingezogen, deren Ideen, Gedanken und Vorstellungen sich in seinem zweiten Bild »Das Massaker von Chios« widerspiegeln, mit dem seine Bedeutung in der jüngeren Malergeneration nicht mehr zu leugnen war. Er galt als der führende Maler der Romantik, auch wenn er selbst diese Führungsrolle immer wieder bestritt.

Delacroix – Erotik und Revoulution

Eines seiner wohl berühmtesten Gemälde entstand 1830 und trägt den Titel „Die Freiheit führt das Volk“.

Delacroix - "Die Freiheit führt das Volk“
„Die Freiheit führt das Volk“

Das 2,60 × 3,25 Meter große Bild zeigt die Julirevolution von 1830. Eine kurze, aber heftige und gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Bürgern und Obrigkeit mit Toten auf beiden Seiten, wie im Bildvordergrund zu sehen ist. Das Volk hat keinen Anführer im eigentlichen Sinn, sein Aufstand kommt spontan und aus der Masse heraus.

Delacroix gibt ihnen eine Anführerin. Barbusig und barfuß wie sie ist, wirkt sie irreal, fast wie eine Göttin. Sie ist gerade über die Barrikaden gestürmt.

Sie ist mit einem Kleid bekleidet, das nur teilweise ihre Brüste bedeckt. Ihr ausgestreckter rechter Arm, in der sie die von den Bourbonen verbotene, französische Fahne Tricolore hält, ist nach vorne gerichtet. In der linken Hand trägt sie mit festem Griff ein Gewehr, dem ein Bajonett aufgesetzt ist. Dieser Arm ist leicht angewinkelt und weist nach unten.

Auf dem Kopf eine phrygische Mütze, die als Symbol für Freiheit gilt und die Kopfbedeckung der Jakobiner war, schreitet sie barfuß über eine Barrikade. Ihre Körperhaltung ist triumphierend. Mit aufforderndem Blick wendet sie sich den Bürgern hinter ihr zu, als wollte sie diese dazu bewegen, ihr zu folgen.

Sie ist das menschgewordenen Symbol für die Freiheit. So paradox es auch ist, dass Frauen als “Britannia” oder “Germania” Nationen repräsentierten, an deren Gestaltung sie politisch nicht mitwirken durften, als Justitia Gerichtsgebäude schmückten, in denen sie nichts zu sagen hatten, als Wissenschaft die Welt unter ihrem Arm hielten, doch zu studieren ihnen verwehrt war oder, wie in diesem Fall, die Freiheit darstellen, zu einer Zeit, da sie derart unfrei waren, dass die Kontrolle über ihren Besitz bei Heirat auf den Ehemann überging und dieser in jeder Hinsicht über sie bestimmen konnte.

Und doch kann es wohl kaum ein packenderes Symbol für die Freiheit geben, als eine entblößt Brust. Dieses Synonym für Mutterschaft einerseits und Sinnlichkeit andererseits, für die Natur in ihrer ganzen Bedeutung, triumphiert über allem anderen. Sie vom Zwang ihres züchtigen Gefängnisses, dem Korsett zu befreien, wirkt wie ein Aufschrei. Wem würde man lieber folgen als dieser Amazone, die sich von jeder Unterdrückung frei gemacht hat. Was für ein ungeheurerer erotischer Reiz entsteht, betrachtete man diese herausfordernde, üppige Frau inmitten wütender Soldaten, bleibt jedem Betrachter selbst überlassen.

„Der Herzog von Orléans zeigt seine Geliebte“

Um 1825/26 entstand das Gemälde „Der Herzog von Orléans zeigt seine Geliebte“. Es illustriert die pikante, auf den französischen Renaissancedichter Brantôme zurückgehende Geschichte, nach der der Herzog den Unterleib seiner Angebeteten vor seinem früheren Kämmerer entlarvt, der das durch Bettlaken verdeckte Gesicht seiner eigenen Frau aber nicht erkennen kann, die er hier bewundert.

Delacroix - Der Herzog von Orléans zeigt seine Geliebte
„Der Herzog von Orléans zeigt seine Geliebte“

Die Spannung entsteht vor allem durch die Körperhaltung der jungen Frau, die den unteren Teil ihres Körpers dem Betrachter fast obszön entgegenstreckt, während sie ihren Oberkörper schamhaft und verlegen verbirgt, was sowohl durch die Farben, als auch durch das Licht noch unterstrichen wird.

Besonders reizvoll für den Betrachter ist das Hinterteil, das den Blick fast magisch zum Innersten zieht, das dann aber doch verborgen bleibt und dadurch die sinnliche Spannung noch erhöht.

Delacroix – Erotik im Harem

Eine Reise nach Spanien und Nordafrika inspirierte Delacroix zu Hunderten Notizen und Skizzen, Studien zu Tieren, zu Gemälde zur Löwenjagd und zur Darstellungen des Harems und Odalisken. Es war eine Zeit der europäischen Begeisterung für die Geheimnisse des Orients, seiner Kultur und faszinierenden Fremdartigkeit, als sich die erotische Phantasie an den Objekten der Lust im Harem entzündete.

Frauen, die auf Sofas oder Diwanen lagern, mehr oder weniger willig, den Launen des allmächtigen Besitzers ausgeliefert und darauf wartend, ihm zu Diensten sein zu dürfen oder zu müssen, waren begehrte Darstellungen. Angesichts der repressiven Sexualmoral des 19. und 20. Jahrhunderts ist diese Phantasie, die der Islam zu legalisieren scheint, durchaus verständlich und nachvollziehbar.

Delacroix - Odaliske auf einem Diwan
“Odaliske auf einem Diwan”

Bei Delacroixs Gemälde “Odaliske auf einem Diwan” ist die Frau der Begierde mit ihren betonten Hüften von sinnlicher Schwere. Wie immer bei ihm, ist die Farbe Teil der Komposition und verstärkt die Wirkung.

Das kräftige Rot der Decke unterstreicht die warmen Farben des Körpers. Die Frau signalisiert in ihrem Ausdruck und in ihrer lasziven Haltung eine schläfrige Bereitschaft zur Hingabe. Sie ist völlig reduziert auf ihre sexuelle Funktion.

Titelbild: „Odaliske“ – Detail

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Art – Über 2500 Kunstwerke

Auszug aus der Buchbeschreibung:

Die Weltgeschichte der Kunst
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Die Erotik bei Dürer

Dürer - Adam und Eva

Maler und Grafiker der Renaissance

Albrecht Dürer (1471 – 1528, Nürnberg) war der Sohn eines in Nürnberg hoch angesehenen Goldschmiedes. Bereits als Kind erlernte er das Goldschmiedehandwerk und somit auch das Gravieren in Metall, die Grundlage des Kupferstichs. Die Druckgraphik machte Dürer auch überregional und schon als jungen Mann bekannt. Sie wurde auf den Handelswegen in kurzer Zeit weit verbreitet und übte unmittelbaren künstlerischen Einfluss nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, vor allem in Italien, aus.

Und schließlich bildete die Druckgraphik mehr als die Malerei die materielle Grundlage Dürers. Ohne sie wäre sein Auftreten als neuzeitlicher, aus der eigenen Erfindung schöpfender und wissenschaftlich arbeitender Künstler kaum vorstellbar. Seit 1512 stand er in Diensten des deutschen Kaisers Maximilian I., für den er vor allem Zeichnungen und riesige Holzschnittprojekte ausführte.

Dürer und badende Frauen

Wie Cranach so beschäftigte sich auch Dürer mit dem Thema der badenden Frauen. Anders als Cranach setzt Dürer sich hauptsächlich mit der perfekten anatomischen Darstellung des weiblichen Körpers auseinander. Ihm gelingt es durch die geniale Körperhaltung der Akte einen einmaligen erotischen Reiz auszulösen.

Dürer "Frauenbad"
„Frauenbad“

Die Frauen waschen oder kämmen sich unbekümmert, als fühlten sie sich unbeobachtet. Das gestattet ihnen laszive Verrenkungen ihrer nackten Körper. Doch der Schein trügt. Das Mädchen in der Bildmitte vorne schaut uns direkt an und macht uns, die Betrachter, zu lüsternen Voyeuren. Sie hat etwas Provozierendes in ihrem Blick und ebenso provozierend streckt sie uns ihre wohlgeformten Brüste entgegen. Gleiches gilt auch für diesen Akt:

Dürer - Badefrau
„Badefrau“

Dürer und das  Hexenthema

Vom Ende des 15. bis weit ins 18. Jahrhundert war die Hexenverfolgung in Europa legal, die Hexerei ein offizielles Strafdelikt.

Im Hexenhammer (1486/87) erstellten zwei Dominikanermönche (Heinrich Institoris, Jakob Sprenger) eine zusammenfassende Beschreibung des Hexenwesens und eine einheitliche Prozessordnung für die Inquistionsgerichte.

Das Frauenbild im Hexenhammer: sie sind maßlos sowohl im Guten als auch im Bösen, boshaft, habsüchtig, hinterlistig, tückisch, die Königreiche zerstörend, von schwachem Verstand, unfähig zur Philosophie, fleischlich gesinnt, lüstern, schwankend im Glauben, leicht zweifelnd und schlecht von Natur aus.

Das Christentum beruft sich dabei vor allem auf einzelne Bibelstellen bei Paulus, der die völlige Enthaltsamkeit verlangte und meinte, nur wenn es nicht anders gehe, sei es besser zu heiraten als zu brennen.

Vor allem Kirchenvater Augustinus leistete mit seiner Erbsünden-Lehre, nach der das Böse durch die erotischen Reize von Eva in die Welt kam, der Körperfeindlichkeit Vorschub. Der sexuellen Lust haftete von da an etwas Schlechtes, Schmutziges und Sündhaftes an.

Symbol der klerikalen Leibfeindlichkeit war die Frau. Sie wurde dämonisiert. Ihr galt der Hass der Kirche. Als Hexe wurden ihr sexuelle Handlungen mit dem Teufel und sexuelle Orgien unterstellt und zehntausende Frauen endeten auf dem Scheiterhaufen.

Als nun die Renaissance in dieser Zeit den Körper als Kunstwerk entdeckt, bleiben den bildenden Künstlern die Hände gebunden, die Frau erotisch zu verklären. Einen Ausweg fanden sie in der griechischen Mythologie – Venus, die Göttin der Liebe, wird zum Inbegriff der Schönheit und im Alten Testament. Ebenfalls ein weites Feld, um Schönheit, Sinnlichkeit und Erotik zu feiern. Ein anderer Weg war die Darstellung der Hexe, als Sinnbild der Sündhaftigkeit und damit der Erotik.

Viele Künstler nahmen sich dieses Stoffes an, der mit der Ausgestaltung von Hexensabbat, Hexenflug und Dämonen der Einbildungskraft reichlich Nahrung bot. Den Darstellungen selbst ist oft nicht zu entnehmen, ob sie dem Hexenglauben folgen oder ihn kritisieren.

Die Hexen bei Dürer

Es mag weitgehend nicht so bekannt sein, dass auch Dürer sich dieses Themas bediente und einige Hexenbilder schuf, von denen das Untere wohl das Erotischste ist.

Sicherlich war es die viel zitierte Lüsternheit der Hexe, die die Phantasie der Künstler zu erotischen Schilderungen anregte. In Dürers Fall glaube ich eher, dass die schutzlosen Hexen, die ohnehin der Obrigkeit vollkommen ausgeliefert waren, ihm keinerlei Zwänge in der Darstellung auferlegte. Er konnte die penible Detailgenauigkeit in der anatomischen Abbildung ihrer Körper ohne Hemmungen zu absoluter Perfektion verfeinern.

Dürer - Die vier Hexen
„Die vier Hexen“

Die vier Frauen stehen im Kreis, wenden sich ab, sind in sich und ineinander versunken. Die Struktur des Knochenbaus, die Beschaffenheit der Haut und die muskulöse Körperlichkeit sind von solch einmaliger Qualität, dass man zu wissen meint, wie die Frauen sich bei Berührung anfühlen. Dadurch entsteht eine große Intimität zwischen dem Bild und dem Betrachter und stellt für mich eines der größten Meisterwerke in der Sparte der Aktbilder dar.

Dürer gilt mit guten Gründen als einer der herausragenden Künstler der deutschen Renaissance. Sein Werk zielt darauf ab, die spätmittelalterlichen Traditionen seiner Heimat mit den italienischen, von wissenschaftlicher Erkenntnis geprägten Einflüssen zu einer Synthese zu bringen. Er wollte die gesellschaftliche und geistige Rolle des Künstlers unter dem Einfluss humanistischen Denkens neu bestimmen. Seine Kunstwerke haben im Lauf der Jahrhunderte immer wieder neue Aktualität erlangt und bis in die Moderne hinein Auswirkungen auf die Kunst gehabt.

Ein Zeitgenosse und wahrscheinlich sein begabtester Schüler hat sich übrigens ebenfalls des Hexenthemas angenommen: s. Hans Baldung.

Titelbild: „Adam und Eva“ – Detail

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Dürer - die große Ausstellung
Dürer – die große Ausstellung

Das Begleitbuch zur großen Dürer-Ausstellung in der Albertina in Wien

Mit nahezu 140 Arbeiten besitzt die Albertina in Wien den weltweit größten und bedeutendsten Bestand an Zeichnungen Dürers. Dieses Buch präsentiert diese bedeutende Sammlung. Im Rahmen einer großen Ausstellung wurde sie den Gemälden und Druckgrafiken Dürers gegenübergestellt.

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Die Maja des Goya

Goya - Marquesa de Santa Cruz

Erotik und Skandal

Francisco José de Goya y Lucientes (Fuendetodos 1746 – 1828 Bordeaux) war wie kaum ein anderer Künstler Wegbereiter der Moderne. Der spanische Maler war auch Radierer und Lithograph. Er gilt als einer der bedeutendsten Darsteller der menschlichen Psyche.

Goya malte zunächst in hellen Farben im Stil des spanischen Rokoko. Nach einer schweren Krankheit, die eine völlige Taubheit zur Folge hatte und möglicherweise seine anderen Sinne schärfte, änderte sich nicht nur die Farbgebung in seinem Werk.

In seinen Darstellungen befasste er sich nun mit den menschlichen Abgründen und es entstanden albtraumähnliche Darstellungen von Kriegen, Ungerechtigkeiten und Wahnsinn. Goya empörte die Eiferer der katholischen Inquisition und stieg zugleich zum Stammvater der Expressionisten und der Surrealisten auf.

Goya - Akt
Aktbild

Goya und der Skandal

Keine Abhandlung über erotische Kunst wäre ohne seine „Die nackte Maja“ denkbar, die ohne jeden Zweifel zu den bedeutendsten Aktbildern der Kunstgeschichte zählt. „Maja“ ist in dem Fall kein Name, sondern bedeutet in der spanischen Sprache ein Synonym für „die Schöne“ oder „schönes Mädchen, schöne Frau“.

Goya - "Die nackte Maja"
„Die nackte Maja“

Das Ölbild entstand zwischen 1797 und 1800 und stellt eine nackte, auf einem Kissen ruhende Frau dar und hat in Spanien eine unglaubliche Reaktion und einen Skandal heraufbeschworen.

Was hat das Spanien um 1800 so sehr an diesem Gemälde erregt?

Zunächst war es wohl die erstmalige Darstellung von Schambehaarung, die Goyas Zeitgenossen veranlassten, das Bild als „Obszönität“ zu verdammen. Darüber hinaus empörte die Tatsache, dass es sich hier erstmals nicht, wie natürlich bereits bekannt, um die nackte Zurschaustellung einer mythologischen, allegorischen oder biblischen Figur handelt, sondern um eine Spanierin.

Goya malte zum ersten Mal eine echte nackte Frau, eine die es wirklich gab zu seiner Zeit. Und die liegt da als Personifikation aller spanischen Frauen, als die Urspanierin. So schön und so sinnlich sie ist, ohne Zierat, ohne Schmuck, ohne Allegorie. Eben eine der Frauen, die die Männer in den Theatern um den Verstand brachten. Erotisch, selbstbewusst und einladend liegt sie da.

Im Jahr 1815 wurde Goya vor die Spanische Inquisition zitiert, um herauszufinden, wer ihn beauftragt hatte das unzüchtige Bild zu malen. Es ist keine Aufzeichnung von Goyas Aussage überliefert. Folge des Prozesses war allerdings, dass ihm der Titel des königlichen Hofmalers aberkannt wurde.

Goya und die zweite Version

Skandalös nannte der spanische Klerus das Portrait dieser Frau, in dem sich Goya auch als ein Maler der Schönheit zeigt. Er hat übrigens eine zweite Version des Bildes, „La maja vestida – Die bekleidete Maja“, gemalt, auf dem das Modell in der gleichen Pose, aber bekleidet dargestellt ist.

Goya - "Die bekleidete Maja"
„Die bekleidete Maja“

Beide Bilder tauchen urkundlich das erste Mal im Besitz des spanischen Premierministers Manuel de Godoy auf, was Vermutungen auslöste, die Maja stelle eine seiner Geliebten dar. Eine weitere Theorie war, dass das Bild eine Darstellung der 13. Herzogin von Alba ist, die mehrfach von Goya gemalt wurde und eventuell auch ein Verhältnis mit dem Maler hatte. Möglich ist auch, dass es sich um eine Vermengung verschiedener Modelle handelt und keine Einzelperson dargestellt ist.

Der Minister jedenfalls hing die gesellschaftsfähigere Fassung kurzerhand vor das skandalöse Werk. Ein Zugmechanismus in Form von Scharnieren legte die offene Sinnlichkeit frei, für besondere Gäste und zu seinem eigenen Vergnügen.

Die körperliche Schönheit der Maja beruht auf immer wiederkehrenden Eigenschaften, die sich unter den Oberbegriffen „Kindfrau“ und „Lichtgestalt“ subsumieren lassen. Sie ist von graziler Zerbrechlichkeit, klein und zart, mit schmalen Füssen und schlanken Fingern. Die Farben ihres Fleisches leuchten weiß und rosé, in kindlicher Frische. Sie mag an eine Wachspuppe erinnern, doch dazu kontrastiert ihr sinnlicher Körper, der sexuelles Begehren erweckt.

Noch 1930, als Spanien vier Briefmarken mit den bekanntesten Gemälden Goyas herausgab, darunter die Maja, protestieren spanische Katholiken und auch andere Staaten (erfolglos) dagegen.

Titelbild: „Marquesa de Santa Cruz“ – Detail

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Goya - bei Amazon
Goya – bei Amazon

Auszug aus der Buchbeschreibung:

„Werner Hofmanns Band, der sich als Klassiker etabliert hat, bringt Goyas malerisches und graphisches Werk in brillanten Abbildungen zur Geltung und erklärt, wie Goya zum großem Erneuerer der Kunst um 1800 wurde.“

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Goya, Der Torero Pedro Romero
Goya, Der Torero Pedro Romero

Gerahmter Kunstdruck – Goya, Der Torero Pedro Romero

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Der sinnliche Klimt

Klimt - der Kuss - Detail

Klimt – Erotik im Jugendstil

Gustav KlimtGustav Klimt (Wien 1826 – 1918). Wenn von Erotik und Jugenstil die Rede ist muss er an erster Stelle stehen. Zeitlebens hat der geniale Wiener Künstler sich mit dem Thema „Frau“ auseinandergesetzt und zahllose weibliche Porträts und Aktzeichnungen angefertigt. Für jedes Ölbild hat er Hunderte Skizzen entworfen, angeblich konnte man in seinem Atelier zu jeder Zeit ein Modell antreffen.

Darüber hinaus wurde Klimt in eine Epoche hineingeboren, die sich gegen die Prüderie des bürgerlichen 19. Jahrhunderts auflehnte. Er wollte die ihm so wichtige, verheimlichte Erotik und die damit verbundenen Probleme offen legen und hatte durch diese Provokation immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen.

Klimt und Gold

Sein Stil ist gekennzeichnet durch die Vereinigung einer naturalistischen, sinnlich-erotischen Frauendarstellung mit ornamental gestalteten, orientalisch beeinflussten Flächen, die oft intensiv farbig und hart begrenzt sind. Durch Goldflächen ist man oft an Ikonen erinnert.

Klimt-Danae 1907
„Danae“ 1907

Danae ist die mythologische Figur, die von Zeus in Gestalt eines Goldregens geliebt wird. Bei Klimt wird alles Erzählende verbannt, das Sujet wird als zeitloser Augenblick erfasst. Danae, in deren Leib der Goldregen gleitet, wird zum Sinnbild einer sich selbst genügenden Sexualität. Selbstvergessen und selbstversunken gibt sie sich in verzerrter Perspektive ihrer erotischen Weiblichkeit hin. Die Wahl des Ausschnitts sexualisiert den ganzen Körper während das Ornament Distanz erzeugt.

Es ist diese Spannung, die höchste erotische Wirkung erregt. Selten zeigt Klimt in seinen Gemälden eine sich in solchem Maße hingebende Frau wie in Danae. Das Gemälde ist damit eines der wenigen, das den Zeichnungen des Künstlers nahe kommt, in denen er sich fast obsessiv für die sexuelle Lust der Frau interessiert. Ihn fesselte das Sinnliche des weiblichen Körpers, aber noch mehr das Geheimnis der weiblichen Psyche.

Klimt - Studie zu Danae um 1907
Studie zu Danae um 1907

Klimt und die Wollust

Die Femme fatale wurde um 1900 zum Inbegriff des Objekts der Begierde, die Sehnsucht danach und die gleichzeitige Ablehnung ist das zentrale Thema in Klimts Frauendarstellungen, der sie mit ihren sinnlich wallenden, oft roten Haaren als männerverschlingende Fabelwesen oder Hexen, dämonisch und unberechenbar darstellt.

Klimt-Detail Beethovenfries 1902
Detail „Beethovenfries“ 1902

Besonders offensichtlich wird das bei den anschaulich gestalteten Frauengestalten für Wollust, Unkeuschheit und Völlerei in seinem „Beethovenfries“. Er stellt an Hand von Beethovens 9. Symphonie die Sehnsucht und die Suche nach dem Glück dar. Die Leiden der schwachen Menschheit wollen überwunden werden, erst wenn auch die sinnlichen Verführungen dieser Welt erfolgreich bekämpft sind, gelingt mit Hilfe der Kunst ein reines Glück in der reinen Liebe.

Siegmund Freud beschreibt den Konflikt zeitgleich als “Kulturleiden”, wo der Mann liebt, begehrt er nicht und umgekehrt. Es mag auf Klimt zugetroffen haben: der lebenslange Junggeselle hatte in Emilie Flöge eine Frau an seiner Seite, die er liebte und bewunderte, der er oft täglich fünf Postkarten schrieb, die er aber nicht begehrte.

Seine sexuellen Bedürfnisse befriedigte er mit seinen “süßen Wiener Mädeln” in seinem Atelier.  Bei „Wollust, Unkeuschheit und Unmäßigkeit“ ist die Erotik von schockierender Sinnlichkeit. Die Frau als Verführerin, das Sinnbild des Objekts der Begierde als Symbol für die Angst des Mannes vor dem eigenen Trieb.

Klimt der Zeichner

In seinen Zeichnungen sind die Frauen meistens nackt und verharren im Reich des Somnambulen. Sie räkeln sich, manchmal sexuell mit sich selbst, zuweilen auch mit einer weiteren Frau beschäftigt.

Klimt - 2 sich umarmende junge Mädchen
„Zwei sich umarmende junge Mädchen“

Klimt interessiert der erotisch stimulierende, erregende Körper. Mit nur wenigen Strichen deutet er an. Ausgesprochen wird nichts.

Klimt-„Zwei liegende Rückenakte“
„Zwei liegende Rückenakte“

Der Betrachter bleibt im Unklaren. Vom Geschlechtsakt ist keine Rede. Aber auszuschließen ist er auch nicht. Ebensowenig wie die Möglichkeit, dass es sich lediglich um zwei schlafende Frauen handelt. Und das Ungesagte, das Nicht-Gezeigte ist voll des sinnlichen Reizes, dem man sich nicht entziehen kann.

Titelbild: „Der Kuss“ – Detail
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Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde
Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde

Auszug aus der Beschreibung:

TASCHEN präsentiert in diesem prachtvollen und von der Kritik gefeierten Band des Klimt-Spezialisten Tobias Natter das komplette Werk Klimts vom frühen Salonmaler über die berühmten Frauenporträts bis zu den späten Landschaften, seinem zeichnerischen Werk und, speziell für diesen Band angefertigten Detailaufnahmen des Stoclet-Frieses.

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Der erotische Parmigianino

Parmigianino - Venus-Detail

Erotik durch Schönheit

Francesco Mazzola, gennannt Parmigianino, (Parma 1503 – 1540) wurde in eine Maler-Familie geboren. Allerdings stand er hauptsächlich unter dem Einfluss von Correggio, dessen Arbeiten zahlreich in seiner Heimatstadt zu bewundern waren. Der schon bekannte Correggio war mit Freskenmalerei in der Kirche San Giovanni Evangelista beauftragt und eine Mitarbeit des jungen Parmigianino ist hier belegt. Das Bedürfnis aus dem Schatten von Correggio herauszutreten und wohl auch ein gewisser Freiheitsdrang und der Wunsch der Enge seiner Heimatstadt zu entfliehen führten ihn nach Rom.

Parmigianino-Selbstbildnis im konvexen Spiegel
„Selbstbildnis im konvexen Spiegel“

Mit sich führte er sein wahrscheinlich berühmtestes Bild, das „Selbstbildnis im konvexen Spiegel“, das von Vasari wie folgt beschrieben wurde:

„Außerdem und um die ganze Tiefe der Kunst auszuloten, begann er eines Tages ein Selbstbildnis zu malen, wobei er sich in einem gewölbten Barbierspiegel betrachtete. Da sah er dann die von der Rundung des Spiegels hervorgerufenen Wunderlichkeiten und wie sich die Deckenbalken, Türen und Gebäude verbogen, die befremdlich zu fliehen schienen.

Es überkam ihn der Wunsch alles ganz nach Lust und Laune neu zu gestalten. Er ließ sich also eine hölzerne Kugel drechseln, die er dann entzwei teilte, wobei eine Hälfte genauso groß war wie der Spiegel und auf diese Halbkugel malte er dann in künstlerischer Meisterhaftigkeit alles, was er im Spiegel sah, vor allem aber sich selbst, und zwar so naturgetreu, wie man es sich gar nicht vorstellen oder glauben mag. Und da alle Dinge, die vorne im Spiegel waren, zu wachsen schienen und alles was im Hintergrund war, kleiner wurde, malte er seine Hand ein bißchen zu groß, so wie er sie eben im Spiegel sah, so schön, daß sie wie wirklich aussah. Und da Francesco von schönem Anschein war und ein anmutiges Antlitz hatte und eher den Engeln als den Menschen glich, schien sein Bildnis in dieser Kugel als wahrhaft göttlich.”

Parmigianino und die langen Glieder

Dieses Schlüsselerlebnis schien sein Werk nachhaltig zu beeinflussen. Er zeigte seine Figuren in anatomisch veränderter Weise, indem er sie quasi verbog. Das ist ganz besonders gut zu sehen bei der „Madonna mit dem langen Hals“.

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„Die Madonna mit dem langen Hals“

Nicht nur ihr Hals ist lang, auch ihre Hand und besonders ihre Finger, auch die Gliedmaßen des Kindes sind unnatürlich lang und eigenartig verbogen. Dadurch wirken die beiden gleichsam unnatürlich und entrückt, als nicht von dieser Welt.

Parmigianino respektiert selbstverständlich das Tabu, das bis in unsere Zeit zwar nicht gilt, aber gelten sollte, dass weder die Madonna noch Jesus nackt dargestellt werden durften.

(An dieser Stelle sei angemerkt, dass es Michelangelo war, der dieses Tabu als Erster gebrochen hatte, als er seine Christusstatue für die römische Kirche Santa Maria sopra Minerva schuf, nackt, perfekt und überirdisch schön wie nur ein Gott sein kann. Es wurde ihm allerdings nicht gestattet und ein metallener Lendenschurz angebracht. Es war eben jenes Zeitalter, in dem die Künstler sich mehr an der Darstellung des nackten Körper begeisterten als in jedem anderen.)

Dennoch ist auch die „Madonna mit dem langen Hals“ ein erotisches Bild. Nicht die Muttergottes selbst übt den erotischen Reiz aus, sondern das junge Mädchen vorne links, das in das Bild hinein drängt und dabei, wie unabsichtlich, ihr nacktes Bein nach vorne schiebt. Obwohl sie ganz auf die Marienerscheinung konzentriert ist, hat diese Bewegung etwas Obszönes. Und gerade der scharfe Kontrast zwischen dem nackten Bein und der himmlischen Madonna verstärken die erotische Herausforderung.

Parmigianino und die heilige Katharina

Ähnlich wie bei seinem Lehrer und Vorbild Correggio, liegt auch bei Parmigianino der Grund warum wir seine Werke als erotisch empfinden in der Schönheit der Dargestellten.

Parmigianino - "Die heilige Katharina"
„Die heilige Katharina“

In seiner Studie zur Heiligen Katharina sehen wir kein Aktbild, sondern nur ein junges, schönes und besonders graziöses Mädchen, das sich ihrer Ausstrahlung aber schon ganz bewusst ist. Mit einem höchst koketten Augenaufschlag sieht sie jemanden an, der ihre Brüste berührt.

Wahrscheinlich sind es Frauenhände, wir vermeinen auch langes Frauenhaar oder möglicherweise eine Haube in der rechten Bildhälfte wahrzunehmen – aber Genaues sieht man nicht. Das lässt unserer Phantasie weiten Spielraum, stimuliert unsere Vorstellungskräfte und bewirkt eine erotische Erregung.

Es ist die Andeutung, das Unausgesprochene, das hier sexuell auf uns wirkt. Und auch die Neugier auf das Nicht-Gezeigte provoziert unsere Vorstellungskraft und lenkt unsere Gedanken in eine bestimmte und notwendigerweise erotische Richtung.

Titelbild: „Venus“ – Detail
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Kunst. Die ganze Geschichte
Kunst. Die ganze Geschichte

Auszug aus der Beschreibung:

„Dieses Buch vermittelt Kunst auf leicht verständliche und übersichtliche Weise. Anhand zahlreicher Beispiele wird ihre komplexe Geschichte erzählt – durch alle Zeiten, alle Gattungen und alle Regionen der Welt; angefangen bei urzeitlichen Höhlenmalereien bis hin zu Multimedia-Installationen der Gegenwart.“

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